Salzburg sucht Antworten auf die stille Pandemie der Einsamkeit – und findet sie am Dossenweg. Dort errichtet der Verein Silberstreif ein Wohnprojekt für Menschen ab 50: 27 geförderte Mietwohnungen, viel Privatsphäre hinter eigenen Türen und gemeinsames Leben in der „GuteStube“, Werkstatt und Bewegungsraum. 40 Stunden ehrenamtliche Nachbarschaftsarbeit pro Jahr sind der Preis für ein Netzwerk, das Christian Rothe und Ursula Spannberger als „Renaissance‐Modell fürs Alter“ feiern. Bezugsfertig ab 2026, gedacht als Blaupause für jede Stadt, die Zukunft nicht dem Zufall überlassen will.

Leuchtturm am Dossenweg
In Salzburg blinkt neuerdings ein Leuchtturm mitten im Wohngebiet. Am Dossenweg entsteht ein Projekt, das Menschen jenseits der 50 Orientierung bietet, bevor das Alleinsein anklopft. „Silberstreif“ nennt sich die Truppe – 30 Köpfe, viel Erfahrung, noch mehr Lust auf Zukunft. Ihr Plan: gemeinschaftlich wohnen, bevor Isolation zum Alltag wird.
„Die Zeitspanne von sechzig bis neunzig ist so lang wie die von dreißig bis sechzig – verrückt, sie verstreichen zu lassen, ohne etwas gemeinsam anzupacken“, sagt Ursula Spannberger. Früher gab es mit der Pension acht überschaubare Bonusjahre, heute eine zweite Vollzeitbiografie. Silberstreif hält schon 27 Wohnungen bereit, 45 bis 85 Quadratmeter, bezugsfertig ab Herbst 2026. Privater Rückzugsort trifft geteilte Bühne – Bewegungsraum, Werkstatt und die „GuteStube“, ein Treffpunkt für die ganze Siedlung.

Verpflichtend freiwillig
Gemeinschaft kommt nicht zum Nulltarif. Jedes Mitglied steuert jährlich vierzig Stunden Nachbarschaftsarbeit bei – Kino kuratieren, Lernhilfe geben, Bankerl fürs Grätzl bauen. So wächst ein sozialer Kapitalstock von bis zu 1 500 Stunden, der jede Wohnbauförderung veredelt.
Mietzins und Mindset
Vierzehn bis achtzehn Euro pro Quadratmeter kostet das private Glück, gestützt von Landesförderungen. Der eigentliche Preis ist Haltung: Gemeinschaft statt Ego. Besonders willkommen sind Paare zwischen fünfzig und sechzig, die zwischen Urban-Gardening-Beeten, Repair-Café und Kinderfest den Generationenvertrag neu verhandeln.
GuteStube, gutes Leben
Spannberger betont das Prinzip Rückzugsraum plus Resonanzfläche: „Jeder hat seine eigene Tür – aber davor wartet Austausch.“ Die „GuteStube“ wird Wohnzimmer fürs Viertel. Physiotherapie-Workshops, Kost-Nix-Regale, Lesungen am Freitag, vielleicht ein Spontankonzert am Samstag. Was einst WG-Party hieß, firmiert hier als Quartiersarbeit – mit ähnlichem Gemeinschaftsrauschen, nur ohne Kater am Morgen danach.

Gemeinschaft als Jungbrunnen
„Gemeinsam statt einsam ist das Motto. Unsere gemeinsamen Aktivitäten halten uns vermutlich jünger, als wir auf dem Papier sind“, sagt Christian Rothe. Silberstreif übersetzt diese Erkenntnis in kurze Wege zur Nachbarwohnung, spontane Kaffeerunden in der GuteStube und gemeinsame Gartenaktionen – lauter kleine Anlässe, die Herz, Hirn und Humor auf Betriebstemperatur halten.
Christian Rothe„Unsere gemeinsamen Aktivitäten halten uns vermutlich jünger, als wir auf dem Papier sind.“
Westösterreichs Pilotprojekt
Noch liegt das Haus auf dem Reißbrett, doch Wohnbauträger und Stadtpolitik blicken gespannt darauf – sie wollen Taten statt Papiertiger. Das Modell Miet-Wohnbau plus Ehrenamt könnte Schule machen, weit über die Gnice-Siedlung hinaus. Die Gruppe wird vorleben, was Stadtplanerinnen und Stadtplaner immer wieder predigen: Gemeinsinn skaliert besser als Quadratmeter.

Silberstreif am Wohnhorizont
Wenn 2026 die Schlüssel übergeben werden, beginnt kein ruhiger Lebensabend, sondern eine neue Matinee. Wer hier einzieht, verschiebt den Fokus vom „Was fehlt mir?“ zu „Was können wir zusammen anstellen?“. Für Salzburg ein Silberstreif am Wohnhorizont – und vielleicht der Startschuss für ein landesweites Revival der generationenübergreifenden Nachbarschaft.