
Messing gegen das Vergessen
Drei Stolpersteine glänzen wieder. Vor der Franz-Josef-Straße 12 hat Patrick Langwallner sich um die Reinigung der Stolpersteine gekümmert. Nicht zum ersten Mal. „Ich wohne in der Faberstraße“, sagt er, „und hab in der Markus-Sitticus-Straße schon angefangen.“ Auch dort liegt ein Stein. Und auch dort hat er geputzt. Mit dabei: eine Bohrmaschine. „Mit dem richtigen Aufsatz wird’s wirklich gut.“ Weil die Messingplatten mit der Zeit anlaufen, weil sie fast unsichtbar werden im Grau des Gehsteigs – und weil es, wie Langwallner sagt, „wieder ins Bewusstsein rücken soll“.

Doch nicht alle reagieren verständnisvoll. „Ein älterer Herr ist vorbeigegangen und meinte, wir müssten doch krank sein.“ Als Langwallner nachfragte, wich der Mann aus und verschwand. „Es gibt ein Paar die nichts aus der Geschichte lernen.“, sagt er.
Was bleibt, ist die Einsicht: Erinnerung ist leider kein Konsens. Und genau deshalb braucht sie Menschen, die handeln, bevor das Vergessen Routine wird. „Wenn alle ein bisschen zusammenhelfen“, sagt Langwallner, „kann man die Stadt definitiv schöner machen.“

517 Steine. Ein Bild. Eine Botschaft.
Es sind keine Denkmäler im klassischen Sinn. Sie ragen nicht in den Himmel, sondern liegen uns zu Füßen. Eingelassen ins Pflaster – schwer wie Geschichte. In Salzburg gibt es davon genau 517. Stolpersteine für Menschen, deren Leben von den Nationalsozialisten ausgelöscht wurde. Für Jüdinnen und Juden. Für Roma und Sinti. Für Homosexuelle. Für Zwangsarbeiter wie Michael Chartschenko, den die SS noch in den letzten Kriegsminuten im Volksgarten erschoss. Ein Mord, als sei der Terror selbst bis zur letzten Kugel pflichtbewusst gewesen.
80 Jahre ist das her. Und es braucht nicht viel, um zu verstehen, dass Gedenken keine Routineübung ist. Es ist eine Entscheidung.

Eine Stadt macht sich auf die Knie
„Salzburg glänzt 517-mal“ – so heißt die Aktion, die am 5. März startet und am 5. Mai endet. Sie ruft dazu auf, die Stolpersteine in der Stadt zu reinigen. Nicht als kosmetische Geste, sondern als öffentliches Statement: Wir erinnern uns. Und wir tun das sichtbar.
Die Idee: Anrainer:innen putzen die Steine in ihrer Straße. Schüler:innen übernehmen die rund um ihre Schulen. NGOs kümmern sich um jene, die zu ihrer Mission passen. Eine kollektive, dezentrale Handlung – leise, aber unübersehbar.
Die Stadt Salzburg unterstützt das. Putzmittel können auf Antrag ersetzt werden, Vorher-Nachher-Fotos werden dokumentiert. Eine eigene Website wird entstehen, als digitales Mahnmal des Mitgefühls.

Und danach?
Am 5. Mai, dem Tag nach der Befreiung, lädt die Stadt zur Abschlussveranstaltung. Im Theater im Kunstquartier wird der Historiker Peter Eigelsberger über das „Camp Marcus W. Orr“ sprechen – das amerikanische Internierungslager in Glasenbach. Dort, wo einst Täter interniert wurden, soll nun der Blick auf das Danach geschärft werden: die schleppende Entnazifizierung, das Wegsehen, das Schweigen. Auch das gehört zur Geschichte – und in jede Gegenwart.
Ein glänzender Anfang
„Salzburg glänzt“ ist keine Kampagne. Es ist ein Aufruf, Stadtbild und Selbstbild zu verbinden. Und vielleicht ist das die ehrlichste Art, mit Geschichte umzugehen: Sie nicht zu polieren, sondern sich ihr zu stellen. Auf Knien, mit Lappen. Und offenem Blick.
Wer mitmachen will:
Infos & Anleitung: www.stolpersteine-salzburg.at
Fotos und Rückfragen: dachverband@kultur.or.at
Veranstaltungstipp:
📅 5. Mai 2025, 18 Uhr
🎭 Theater im Kunstquartier
🎙 „Salzburg nach der Befreiung – Das Lager Glasenbach“
Eintritt frei.
