
Nach Norden, zur Brücke, zum Beton
Es ist 23.00 Uhr, ich verlasse die Innenstadt. Auf der Staatsbrücke hüpfen 200 Junge Männer. Ein Bengalo leuchtet in der Menge, hell weiss. Die Austria ist Meister, Aufstieg (in die 2. Liga), ein stocknüchterner Blick auf das Gegenteil. Vor 30 Jahren wurde in Lehen gejubelt, in der charmanten Betonschüssel der damaligen Austria, heute auf der Brücke. Damit ist meine Richtung heute Abend entschieden: Nach Norden, zur Brücke, zum Beton.
Handke lehnt. Die Straße glänzt.
Vorbei am Hotel österreichischer Hof, oder Hotel Sacher? – egal. Am Eingang lehnt Peter Handke, lässig und unbeeindruckt vom violetten Gesang. Dabei hat er ja vor 30 Jahren auch in einem eigenartigen Chor gesungen. Es ist Pfingsten, denke ich mir, vielleicht kommt der Sturm oder die weiße Taube – gerade jetzt. Ich gehe schnell weiter.

Wo der Beton noch jubelt
Die Schwarzstrasse ist nass, mir ist heute mehr nach grau. Das Heizkraftwerk Mitte. Nachts ist es noch ein wenig schöner. Unten schimmert es gelb von der Strasse, oben blau als wäre es der Himmel, die Silhouette des Sichtbetons verliert sich im Schwarz der Nacht. Auf Postkarten in den Souvenirgeschäften der Stadt wird es wahrscheinlich raus retuschiert sein.
Ich mag es.

Daneben das Lichthaus
Der Brutalismus – errichtet im Jahr 1973 – ist nicht die Architektur des Gebäudes sonder der Ruf der Gegend. Brautkleider, Goldankauf und Döner zieren das Erdgeschoss.
An den Fassaden Werbung für „dieWG.at“ mit einem verblichenen „Sound of Music“ Sujet. Macht Sinn. Diese Firma vermittelt „Studentenwohnungen“(lol) mit dem, was Studierende heute wirklich anspricht: Dirndl, Lederhose und lachende laufende Kinder. Auf der Homepage nennt sich das „die WG Mirabell“, obwohl es an der Lehner Brücke ist; „hier fühlt sich jeder zu Hause“.
Wer nicht aus Salzburg kommt wird dieses spezielle „Mirabell“ besser in Erinnerung haben als jede Mozartkugel.
Der Höhepunkt aber befindet sich gegenüber, auf der anderen Seite der Saint Julien Strasse (nicht Sankt Julien Strasse, sie ist benannt nach Clemens Graf Saint-Julien Wallsee):

Das alte Elmo Kino
Einer der wichtigsten Orte meiner Jugend. In den 80ern wurden Samstags um 22.00 Musikfilme gespielt. Purple Rain von Prince, später 101 von Depeche Mode.
Es war laut und voll, Konzertfilme, fast wie Konzerte, manche Standen vor der Leinwand und tanzten, man führte die Lederjacke aus, der Hut getragen wir Martin Gore. Es einte uns der Musikgeschmack und das in Salzburg.

„Sonnenschein“ mit Stacheln
Eigentlich ist davon nicht mehr übrig, nur ein Schild „Elmo Kino“ und ein vergilbtes Filmplakat: „Flucht durch Europa“ – sehr aktuell. An der Autobahn vor den Toren der Stadt stand es heute still. 40 km Stau, Pfingsten, 5 Stunden Wartezeit. Muss schrecklich hier sein, wenn alle weg wollen.
Ist es aber nicht, finde ich.
Die Sache mit der Austria hab ich nie so ganz verstanden, vielleicht bin ich nicht romantisch genug. Peter Handke auch nicht, vielleicht bin ich nicht romantisch genug.
Es ist Mitternacht. Ich lese ein Schild an einem Haus: „Sonnenschein“, dazu eine gelbe Spirale mit Stacheln. Das muss reichen.

Postkarten, die es in keinem Souvenirshop gibt.
Salzburg ist mehr als die Postkartenmotive mit Festung und Mirabellgarten. Wer sich abseits der gewohnten Pfade bewegt, findet das andere Salzburg. Und das sucht Markus Grüner-Musil für „NeueUfer“. Postkarten, die es in keinem Souvenirshop in Salzburg zu kaufen gibt.
